Meinung

Große Erwartungen und geringe Chancen: Der Balkangipfel in Tirana

In Tirana ist ein Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Balkanstaaten zu Ende gegangen. Die Bilanz des Treffens, so unser Autor Marinko Učur, fällt mager aus. Der Gipfel verwandelte sich in eine Demonstration zur Unterstützung der Ukraine in ihrem "Kampf gegen die russische Aggression".
Große Erwartungen und geringe Chancen: Der Balkangipfel in TiranaQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/PRESIDENT OF UKRAINE apa

Von Marinko Učur

So überschrieben könnte man das gerade zu Ende gegangene zweitägige Treffen der Balkanführer in Tirana, der Hauptstadt Albaniens, kurz charakterisieren. Das prätentiös unter "Ukraine-Südosteuropa" angekündigte Gipfeltreffen verwandelte sich in eine weitere Demonstration zur Unterstützung der Ukraine in ihrem "Kampf gegen die russische Aggression". Es blieb unklar, wer die wahren Initiatoren und Organisatoren des Gipfeltreffens waren, das keine Ideen zur Lösung des Konflikts hervorbrachte. Es ist möglich, dass es einigen Eurofanatikern aus dem Balkan und ihren Brüsseler Einsagern ein paar Punkte eingebracht hat.

Wer "bestellte" das Gipfeltreffen?

Es ist nicht schwer, den Schluss zu ziehen, dass das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der fünf Balkanstaaten von Brüssel aus inspiriert wurde, obwohl die formellen Gastgeber Albanien und dessen Premierminister Edi Rama waren. Auffällig ist, dass das offizielle Sofia dem nicht beiwohnte, was angesichts der Tatsache, dass auch dieses Land durchaus im Südosten Europas liegt, durchaus intrigant anmutet. Auf der anderen Seite nahm Kroatien an dem Treffen teil, das eigentlich um jeden Preis aus dem Balkanring und dem ehemals jugoslawischen Gebiet austreten will. Aber offenbar ordnete jemand mit einer Autoritätsposition die Kroaten an, dort präsent zu sein, Solidarität mit der Ukraine zu bekunden und Russland und dessen Rolle in der militärischen Sonderoperation zum x-ten Mal ins Visier zu nehmen.

Das Treffen wäre ein komplettes Fiasko gewesen, wenn es nicht in gewisser Weise durch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan aufgewertet worden wäre, der sich per Videokonferenzschaltung an die Teilnehmer des Gipfeltreffens wandte. Bei dieser Gelegenheit erklärte er, dass die Türkei erneut bereit sei, den Verhandlungstisch in Istanbul wieder herzurichten, um Frieden zwischen Russland und der Ukraine zu erzielen. Mit anderen Worten: Erdoğan nutzte die Gelegenheit, um die diplomatische und friedensstiftende Fähigkeit seines Landes zu demonstrieren, was allem Anschein nach seine einzige und löbliche Absicht war.

Für solch einen konstruierten "Stammtisch der Solidarität mit der Ukraine" ist die Glaubwürdigkeit in Sachen Frieden jener Länder, die sich bisher durch ihre eifrige Unterstützung für die Ukraine "berühmt gemacht" haben, sicherlich fragwürdig. Alle – außer Serbien – handelten bisher folgsam gemäß den Anordnungen aus Brüssel und Washington, verhängten Sanktionen gegen Russland und verurteilten die militärische Sonderoperation Russlands. Es ist auch nicht unbekannt, dass einige Balkanstaaten wie Kroatien und Nordmazedonien militärische Ausrüstung und Waffen an die Ukraine gespendet haben.

Eine Falle für Vučić?!

Der serbische Präsident Aleksandar Vučić, der ebenfalls zu diesem Treffen der Balkanführer eingeladen war, befand sich in einer wenig beneidenswerten Lage. Sie alle trafen sich zu getrennten Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskij, der zu diesem Anlass nach Tirana anreiste. Vučić bestätigte, dass das Treffen mit Selenskij korrekt war und dass Serbien es zu schätzen weiß, dass die Ukraine die einseitig erklärte Unabhängigkeit der serbischen Provinz Kosovo* nicht anerkennt. Mit anderen Worten: Sowohl Serbien als auch die Ukraine respektieren weiterhin die Souveränität und territoriale Integrität des Gegenübers. Gleichzeitig sagte Vučić, dass er mit Selenskij keine Vereinbarung unterzeichnet habe, die eine Voraussetzung für den Transfer serbischer Waffen und Munition in dieses Land darstellen würde.

Als Führer des einzigen Landes des Westbalkans und Europas, das keine antirussischen Sanktionen verhängte, musste Vučić bei der Formulierung der Schlussakte des Treffens in Tirana mit großer Vorsicht agieren. Bei der Plenarsitzung im Rahmen des Gipfeltreffens "Ukraine – Südosteuropa" wurden nämlich auf Drängen des serbischen Präsidenten in der vereinbarten Erklärung weder Sanktionen gegen Russland noch "russischer bösartiger Einfluss" erwähnt, was Belgrad als eigenen Erfolg seiner Entschlossenheit ansieht, weiterhin eine unabhängige, auf eigenen Interessen basierende Außenpolitik zu führen.

Die Teilnehmer des Gipfeltreffens "Ukraine – Südosteuropa" verabschiedeten in Tirana eine gemeinsame Erklärung, in der sie ihre Unterstützung für die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen seit 1991 zum Ausdruck brachten.

Gleichzeitig wird die Ukraine unter dem Vorwand, dass jedes Land das Recht hat, für seine eigene Sicherheit zu sorgen, ermutigt, künftig ein Anrecht auf Mitgliedschaft im NATO-Bündnis zu haben, während andererseits die Unterzeichner der Erklärung nach wie vor entschlossen seien, der Ukraine die notwendige Unterstützung bei der Verwirklichung eines gerechten Friedens bereitzustellen. Auf welche Art von Frieden ist in einer Lage zu rechnen, in der der Konflikt einseitig betrachtet wird, und wie kann ein Frieden gerecht sein, wenn Russland nicht als jene Partei erwähnt wird, ohne die es unmöglich ist, nennenswerte Friedensfortschritte zu erzielen?

Die Teilnehmer des Gipfeltreffens machten offenbar keinen Hehl daraus, sondern inszenierten neuerlich ein bereits früher aufgeführtes Theaterstück, in dem einer Seite die Rolle des Opfers und der anderen Seite die des Aggressors zugeordnet wurde. Es war ein weiterer sehr kleiner Schritt für den Frieden, aber ein großer Schritt vorwärts bei dem Versuch, doch noch die unipolare Welt zu retten.

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