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"Brückenkopf für eigene Pläne" – Chodorkowski und die US-Militärhilfe für Kiew

Die beispiellose Summe von 40 Mrd. US-Dollar fließt von Washington nach Kiew – auszugeben für Rüstungsgüter. Mitgewirkt am Zustandekommen dieser Entscheidung haben bekannte Oligarchen, unter ihnen der gern als Philanthrop auftretende Exil-Russe Michail Chodorkowski.
"Brückenkopf für eigene Pläne" – Chodorkowski und die US-Militärhilfe für KiewQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Eventpress Radke

Aus Washington, D.C. wird nach Kiew die beispiellose Summe von 40 Mrd. US-Dollar überwiesen – der Beschluss ist gefasst und endgültig. Der Großteil dieser Mittel fließt für Rüstungsgüter, berichten die Medien.

Die beiden ukrainischen Oligarchen Rinat Achmetow und Wiktor Pintschuk sowie der ehemalige russische Jukos-Eigentümer Michail Chodorkowski* waren bedeutende Lobbyisten für diese Entscheidungen, wie RT in Zusammenarbeit mit dem Portal Prigovor.ru [Urteil, Erkenntnis]herausfand. Sie finanzierten auch den Bericht der Denkfabrik Atlantic Council, der zwei Wochen vor Beginn der militärischen Sonderoperation herausgegeben wurde. Darin empfahlen die NATO-Analysten den USA und der Europäischen Union, den wirtschaftlichen Druck auf Moskau weiter zu verstärken und zugleich das Programm der militärischen Zusammenarbeit mit der Ukraine auszuweiten. Die Strategie des Atlantic Council ist in enger Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten entwickelt worden, berichten die von RT befragten Experten.

Am 6. Februar 2022, zwei Wochen vor dem Beginn der militärischen Spezialoperation Russlands in der Ukraine, veröffentlichte die NATO-Denkfabrik Atlantic Council mit Sitz in Washington einen Bericht mit dem Titel "Global Strategy – 2022: Countering Kremlin Aggression Today for a Constructive Relationship Tomorrow".

"Das Ziel Washingtons sollte die Vertreibung der Russen aus der Ostukraine sein", ist in dem Dokument im Abschnitt über die Beziehungen zwischen den USA und der Ukraine zu lesen.

Der Bericht untersucht eine langfristige Strategie für das Verhalten der USA und ihrer Verbündeten zur Erhöhung des Drucks und letztendlich zur Schwächung Russlands. Die Verfasser schlagen dafür zwei zentrale Aufgabenbereiche vor: intern (mit der Opposition) und extern militärisch (durch Stärkung des NATO-Blocks an den Grenzen der Russischen Föderation).

"Um der russischen Bedrohung effektiv zu begegnen, müssen die Vereinigten Staaten klare rote Linien festlegen, die der Abschreckung dienen, und müssen bereit sein, schnell zu handeln, wenn Moskau diese überschreitet oder eine derartige Bedrohung aufstellt", steht in dem Bericht. "Entsprechende Gegenmaßnahmen könnten je nach Verstoß militärische, wirtschaftliche und diplomatische Instrumente umfassen."


Prophetische Formulierung

Genauso, wie im Bericht beschrieben wird, handeln die USA und andere unfreundliche Länder gegenüber Russland. Darin wird unter anderem auch eine Ausweitung der persönlichen Sanktionen und eine Erhöhung der Militärhilfe für die Ukraine auf 1 Milliarde US-Dollar pro Jahr angekündigt.

"Die Politik der USA bezüglich der Ukraine sollte zur Erhöhung der Militärhilfe beitragen und zusätzliche Hilfe von anderen NATO-Mitgliedern stimulieren. Beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij in Washington im Jahr 2021 verkündeten die Vereinigten Staaten eine Erhöhung der Militärhilfe für die Ukraine um 60 Millionen Dollar", heißt es sinngemäß in dem Bericht. Das war zwar eine nette Geste, doch angesichts der Bedürfnisse des Landes und der amerikanischen Interessen, die Aggression des Kremls zu beenden, soll nun der Umfang der jährlichen US-Hilfe von bereits mehr als 275 Millionen US-Dollar auf 1 Milliarde US-Dollar (USD) erhöht werden.

Seit Beginn der militärischen Sonderoperation gewährt der Senat monatlich 800 Mio. USD an direkter Militärhilfe für Kiew. Wie RT berichtete, beantragte Joe Biden Ende April beim Kongress weitere 33 Mrd. USD für Ausgaben im Zusammenhang mit der Krise in der Ukraine. Schlussendlich genehmigte der US-Senat am 20. Mai ein Hilfspaket in Höhe von 40 Milliarden US-Dollar zugunsten der Ukraine. In den Medien nannte man den Betrag beispiellos und wies darauf hin, dass der größte Teil davon für Waffen ausgegeben wird.

Außerdem empfehlen die Analysten des Atlantic Council eine Ausweitung der Lieferungen von Schiffsabwehrraketen, Seedrohnen, Patrouillenbooten und Luftabwehrsystemen an die Ukraine.

Grenzen des NATO-Blocks

Ein Abschnitt des Berichts befasst sich mit Empfehlungen für die Erweiterung der NATO an den Grenzen Russlands. Die Verfasser prognostizieren eine verstärkte Präsenz der Allianz im Schwarzen Meer und an der polnischen Grenze im Bereich der Suwałki-Lücke, eines hypothetischen Korridors, der Weißrussland und das Kaliningrader Gebiet verbinden könnte. Diesem Korridor entlang verläuft die Grenze zwischen Polen und Litauen – die NATO erachtet diese Grenze als strategisch wichtig, schrieb die Washington Post, weil die Kontrolle des Suwałki-Korridors durch Russland dazu führen würde, dass das gesamte Baltikum vom übrigen Europa abgeschnitten wäre.

Das Geschehen in der Realität verläuft fast genauso, wie im Bericht vorgeschlagen. So liefen beispielsweise am 15. April 2022 NATO-Schiffe zu gemeinsamen Übungen in die Ostsee ein. Diskutiert wurde auch deren Auftauchen im Schwarzen Meer, jedoch warnte die Türkei im Vorfeld, sie würde vertragstreu derzeit keine Schiffe der NATO-Allianz den Bosporus passieren lassen.

Auch im Hinblick auf das Kaliningrader Gebiet sind militaristische Verlautbarungen zu hören. Ein früherer amtierender Verteidigungsminister Polens schlug etwa am 15. Mai öffentlich vor, Kaliningrad zu "demilitarisieren". Wie RT berichtete, verglich Romuald Szeremietiew das Kaliningrader Gebiet mit einem Pulverfass, auf dem die Nordatlantische Allianz sitzt.

Großzügige Unterstützung

Im Vorwort des Berichts bedankte sich einer der Autoren, der ehemalige US-Botschafter in der Ukraine John E. Herbst [2003 – 2006], bei der Stiftung "Future of Russia"**, ohne deren "großzügige Unterstützung" der Bericht nicht möglich gewesen wäre.

Die Stiftung "Future of Russia" (FRF) hat ihren Sitz in London und hieß früher "Open Russia". Sie wurde vom ehemaligen Besitzer des Ölkonzerns Jukos Michail Chodorkowski* gegründet, der in Russland wegen Betrugs [zu zehn Jahren Haft] verurteilt wurde.

Das Portal Prigovor.ru überließ RT Kopien des aktuellen Jahresberichts von FRF. Demzufolge hat die Chodorkowski-Stiftung allein im Jahr 2020 eine Finanzhilfe in Höhe von 151.900 Pfund an den Atlantic Council überwiesen.

Eine Bestätigung dafür findet sich auf der Webseite des Atlantic Council: Die FRF ist unter den Spendern aufgeführt, die zwischen 100.000 und 250.000 US-Dollar an den Think Tank überwiesen haben. 

Weitere Geldgeber des Atlantic Council sind die ukrainischen Oligarchen Rinat Achmetow und Wiktor Pintschuk, die Nummer eins und die Nummer zwei des Ratings von Forbes für die Ukraine. Achmetows wichtigstes Asset ist das System Capital Management, das dem Atlantic Council laut der AC-Webseite jährlich zwischen 500.000 und 999.000 Dollar spendet. Und die Stiftung von Wiktor Pintschuk spendet zwischen 249.000 und 500.000 Dollar pro Jahr.

Was hat Chodorkowski damit zu tun?

Während das Interesse der ukrainischen Oligarchen an militärischer Hilfe für ihr Land nachvollziehbar ist, scheint die Motivation von Chodorkowski weniger offensichtlich, aber nur für diejenigen, die keine Medienprojekte des ehemaligen Oligarchen verfolgt haben.

Durch die ihm gehörenden Medien und auf seinen Youtube-Kanälen hat Chodorkowski eine aktive proukrainische Haltung eingenommen, indem er das Vorgehen der russischen Armee und der obersten Führung des Landes scharf kritisierte. Als Gastredner für seine Medien lädt er ukrainische Nationalisten, Nazis und "Asow"-Kommandeure ein und schreibt generell lobende Sujets über die Streitkräfte der Ukraine. 

"Russische Soldaten werden wir keinesfalls als Gefangene nehmen", sagte Mamuka Mamulaschwili, Kommandeur der georgischen Legion der ukrainischen Streitkräfte, in einem Interview bei "Chodorkowski LIVE".

RT hat reichlich über die Tätigkeiten dieser Formation berichtet – die von britischen und amerikanischen Instruktoren ausgebildeten "Legionäre" sind für ihre radikalen Praktiken der Kriegsführung bekannt. Deswegen sollte die Einheit 2018 sogar aufgelöst werden, doch sie blieb Teil der 54. Mechanisierten Brigade der ukrainischen Streitkräfte.

In demselben Interview bezeichnete Mamulaschwili ein Video, das die Erschießung russischer Kriegsgefangener zeigt und im Internet viral ging und daher zu einem der Beweise für die Kriegsverbrechen der ukrainischen Armee wurde, als Fälschung. Die US-Zeitung The New York Times stellte dagegen die Echtheit des Videos fest und wies darauf hin, dass es auch eindeutig russische Kriegsgefangene zeige.

Besondere Gerechtigkeit

Noch ein Beispiel für verfälschte Informationen ist ein Interview mit Maxim Shorin, dem Kommandeur von "Asow Kiew", der behauptet, dass "russische Kriegsgefangene überall menschlich behandelt werden". Widerlegt werden seine Worte durch die bereits erwähnten Videoaufnahmen von erschossen russischen Soldaten, deren Hände hinter dem Rücken gefesselt waren.

Zeitgleich begann Chodorkowskis andere Stiftung "Gerechtigkeit für Journalisten" (Justice for Journalists) eine Spendenaktion zur Unterstützung der ukrainischen Medien während des Konflikts.

RT fragte bei Experten nach, welche Ziele Chodorkowski als Unterstützer der Ukraine in diesem eskalierenden militärischen Konflikt verfolge. Die Meinungen hierzu waren geteilt. Der eine meint, der ehemalige Jukos-Besitzer sei nicht unabhängig und verfüge über das Geld anderer Leute; ein anderer sieht in Chodorkowskis Handeln den Wunsch, sich am Kreml für seine eigene frühere Strafverfolgung zu rächen. Wir erinnern daran, dass Chodorkowski in Russland eine Haftstrafe wegen Betrugs verbüßt hat und seit 2015 in Abwesenheit beschuldigt wurde, den Mord an dem Bürgermeister von Neftejugansk organisiert zu haben.

Sergej Sokolow, ein Enthüllungsjournalist und der Gründer des Portals Prigovor.ru [Urteil, Erkenntnis], ist der Ansicht, dass Chodorkowski von Rachegefühlen getrieben wird.

"Er rächt sich nur. Man hat ihn als Gauner entlarvt und ihn ins Gefängnis gesteckt. Und all dies ist nun sein persönlicher Rachefeldzug gegen den russischen Präsidenten. Sein Hauptfeind ist Wladimir Putin", meint Sokolow. "Und seine Haltung deckt sich weitgehend mit den Spitzenreitern 'unfreundlicher' Staaten". Deshalb spielt er jetzt die Rolle eines solchen Polizeibeamten unter dem Gauleiter. Zwar wird er nicht darum gebeten, doch er verpetzt seine Teamkameraden – die Oligarchen aus der Zeit Jelzins.

Alexej Martynow, Direktor des Internationalen Instituts für moderne Staaten, ist sich sicher, dass Chodorkowski nicht unabhängig sei und die Entscheidungen anderer umsetze.

"Wer sollte ihn fragen, ob er daran teilnehmen will oder nicht? Er ist ein abhängiger Mensch", sagt der Politikwissenschaftler. "Ich vermute, dass er ein bequemer Deckmantel für destruktive Aktivitäten ist, die man versucht hat, in ein anständiges Gewand zu verpacken. Und keiner stellt die Frage, woher er das Geld hat. Tatsächlich ist bekannt, dass Chodorkowski noch nie etwas von seinem eigenen Geld für öffentliche Aktivitäten ausgegeben hat."  

Wie RT bereits früher schrieb, wurde zum Zweck der Wohltätigkeitsorganisationen Chodorkowskis ein so genannter Stiftungsfonds (Endowment Fund) eingerichtet – ein spezieller Fonds, dessen Gelder in verschiedene Vermögenswerte investiert werden und dessen Erträge (Zinsen) für Spenden ausgegeben werden.

"Er ist nur ein praktisches Werkzeug. Im besten Fall leitete er das Geld weiter", sagt Martynow. "Er erhielt die Finanzmittel von denselben britischen und US-amerikanischen Geheimdiensten, die auch hinter Chatham House im Vereinigten Königreich und dem Atlantic Council in den USA stehen".

Instrumente der Macht

Pawel Feldman, Dr. rer. pol. und Stellvertretender Direktor des Instituts für Strategische Studien und Prognosen an der RUDN, sieht Chodorkowskis Interessen in der Tatsache begründet, dass er stets Ambitionen auf Machtausübung in Russland hatte.

"Chodorkowski hat gewisse Machtansprüche in Russland, obwohl er schon lange von der Tagesordnung verschwunden ist. Nichtsdestotrotz hat ihn seine revanchistische Gesinnung nicht verlassen: Er sieht sich als Opfer der russischen Behörden und verspürt die Lust, sich für seine Haftstrafe zu rächen und seine gigantischen politischen Ambitionen generell zu verwirklichen", erzählte Feldman gegenüber RT. "Die gegenwärtige gesellschaftspolitische Situation in Russland sieht er als Ausgangspunkt für seine Pläne."

Die Ukraine, so Feldman, diene als Instrument zur Umsetzung dieser Pläne. Chodorkowski will die Situation im Lande nutzen, um in die russische Politik zurückzukehren.

"Jegliche militärischen Erfolge auf Seiten der Ukraine sind für Chodorkowski von Vorteil, denn sie könnten das Gleichgewicht des Vertrauens zwischen dem russischen Staat und der Zivilgesellschaft stören", so Feldman weiter. "Angesichts eines solchen Ungleichgewichts und möglicher Steigerung der Proteststimmung rechnen Chodorkowski und seinesgleichen mit einer günstigen Gelegenheit, an die Macht zu kommen."

Die andere Frage ist, so Feldman, dass Chodorkowskis Zusammenarbeit mit Ländern, die von der Mehrheit der Russen als potenzielle Feinde angesehen werden, seinem Image eher schadet als dass sie seine Popularität steigern könnte.

Der Bericht des Atlantic Council, resümiert Feldman, habe zur Entscheidung über das Lend-Lease-Gesetz in den USA und zur Ausweitung der Militärhilfe für die Ukraine beigetragen. Der Politologe ist der Meinung, dass derartige Berichte für die Entscheidungsfindung im offiziellen Washington von großer Bedeutung sind.

"Möglicherweise war die Erstellung dieses Berichts nicht ohne Beteiligung der politischen Eliten möglich. Das ist eine bekannte Situation, wenn Mitarbeiter von Geheimdiensten, der Bürokratie und der militärischen Führung ihre eigenen Ideen an scheinbar unabhängige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Experten delegieren, woraufhin diese Persönlichkeiten die Ideen als ihre eigenen präsentieren, wodurch die Vertreter der Geheimdienste wiederum eine gewisse intellektuelle Grundlage ernten, auf der sie ihre Doktrin aufbauen können", betont Feldman. "Das heißt, sie erhalten die Möglichkeit, sich auf bestimmte öffentliche Meinungen zu berufen, auch wenn diese Meinungen ursprünglich von ihnen selbst stammen."

* In das Register der Personen, welche die Funktion eines ausländischen Agenten ausüben, eingetragen per Beschluss des Justizministeriums Russlands vom 20.05.2022.

** Die Stiftung "Future of Russia Foundation" ist auf dem Territorium der Russischen Föderation mit Beschluss der Generalstaatsanwaltschaft vom 30.06.2021 als unerwünscht eingestuft.

Übersetzung aus dem Russischen

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